Festsitzende Zahnspangen

Dr. med. dent. Helfried Kopp

Festsitzende Zahnspangen

„Edgewise Technique“

Dr. Edward H. Angle (USA) gilt in der modernen Kieferorthopädie als der Vater der festen Zahnspangen. Sein 1887 entwickelter E-Arch kann als die erste konfektionierte festsitzende Zahnspange bezeichnet werden. In den weiteren Jahren entwickelte er die ersten Multiband Systeme, bei denen jeder Zahn mit einem Metallband bestückt wurde, um eine bessere Kontrolle über seine Bewegung zu erreichen. Sein 1910 entwickeltes „Pin and Tube System“ spielt in heutigen Behandlungstechniken keine Rolle mehr. Seine 1915 entwickelten „Ribbon Arch Brackets“ als auch seine erstmals 1925 beschriebenen „Edgewise Brackets“ leben in modifizierter Form in der „Begg Technique“ als auch im „Straightwire Konzept“ bis heute fort. Das „Edgewise Bracket“ mit dem edgewise (über die Schmalseite) gebogenen Arbeitsbogen diente ideal seinem initialen Prinzip der Expansion des Zahnbogens. Von diesem Konzept zeugt auch sein später ausgesprochenes „Extraktionsverbot“. Über die folgenden Jahrzehnte wurden sein Konzept sowie sein Bracket modifiziert. Die von Angle beschriebene „Edgewise Technique“ spielt bis zum heutigen Tag noch eine Rolle in der Kieferorthopädie.

„Straight-wire-Konzept“

Die Entwicklung des heute an meisten gebräuchlichen Behandlungskonzeptes, des „Straight-wire-Konzeptes“ mit seinen „Straightwire Brackets“, geht von Angles „Edgewise Bracket“ aus. Die aufwändigen Biegungen des Arbeitsbogens zur Einstellung von exakten 3-dimensionalen Positionen der Zähne waren mühselig. Der Name „Lawrence Andrews“ (1978) ist mit der Entwicklung der „Straight-wire-Brackets“ verbunden, bei denen die „Therapie in die Brackets einprogrammiert“ wurde. Der Arbeitsbogen verbleibt gerade (straight), da die 3-dimensionalen Werte der Position jedes Zahnes in die Brackets eingearbeitet wurden. Im Verlauf der folgenden Jahre wurden weitere Konzepte bezüglich der idealen Position eines Zahnes beschrieben und weitere programmierte Brackettypen entwickelt (Roth, MBT usw.). Das Konzept eines programmierten Brackets in Kombination mit einem geraden Arbeitsbogen erfreut sich bis heute größter Beliebtheit und ist heute das am meisten verbreitete festsitzende Arbeitskonzept der Kieferorthopädie.

„Light Arch Wire Technique“

Die „Light Arch Wire Technique“ („Begg Technique“) ist eine radikale Abkehr von dem sich in Amerika entwickelnden Konzept der „Edgewise Technique“. Die von Dr. Raymond Begg (Australien) entwickelte Behandlungstechnik nutzt zur Bewegung der Zähne das 1915 von Dr. Angle entwickelte Ribbon-Arch-Bracket in modifizierter Form und dünne spezialgehärtete Stahldrähte (Wilcox). Dr. Begg, ein Schüler von Dr. Angle, trennte sich von der Philosophie des „Extraktionsverbotes“, welches Angle postuliert hatte, und beschritt, nach Studien von Schädeln australischer Ureinwohner, den Weg der Reduktion von Zahnmaterial im Zahnbogen. Diese Reduktion von Zahnmaterial kann durch Entfernung von Zähnen (Extraktion) oder durch Beschleifen von Zähnen (approximale Schmelzreduktion) erfolgen. Dr. Begg´s Behandlungsmethode wurde ab 1956 in aller Welt bekannt. Im Gegensatz zur amerikanischen Schule der festsitzenden „Edgewise Technique“ lässt die „Light Arch Wire Technique“ den Zähnen beim Lückenschluss eine Kippung in Richtung der Lücke zu, die im III. Behandlungsstadium gezielt wieder aufgerichtet wird. Dadurch konnte die eingesetzte Kraft zur Bewegung der Zähne minimal gehalten (Light Arch Wire) und die Behandlungszeit deutlich verkürzt werden.

„Tip Edge Bracket“ & Tip Edge Plus Bracket“

Die Nutzung des Straight-Arch-Konzeptes ab 1978 (Andrews) führte zu einer deutlichen Erleichterung in der kieferorthopädischen Behandlung. Es gab jedoch immer noch drei wesentliche Probleme:

  1. Man braucht eine starke Verankerung bei einer körperlichen Zahnbewegung.
  2. Bei der Ausprägung der innen/außen Wurzelneigung der Zähne (Torque) kommt es immer wieder zu ungewollten Nebenwirkungen an den Nachbarzähnen.
  3. Der in die Brackets einprogrammierte Torque wird nicht vollständig auf die Zähne übertragen.

Besonders der erste Punkt führte Dr. Peter Kesling (USA), der viele Jahre mit Dr. Begg zusammenarbeitete, zu der Entwicklung eines modifizierten „Straight Arch Brackets“ dem „Tip Edge Bracket“. Das 1986 eingeführte „Tip Edge Bracket“ verbindet die Vorteile der „Light Arch Wire Technique“ mit denen des „Straight-Arch-Konzeptes“. Das „Tip Edge Bracket“ lässt wie das von Dr. Begg genutzte „Ribbon Arch Bracket“ Kippungen (Tip) der Zähne zu. Die Tip-Bewegung ist jedoch auf eine Richtung beschränkt und auch das Ausmaß des Tips wird durch das Bracket limitiert. Durch diesen genialen Einfall können die Vorteile der „Begg Technique“ -> „geringer Krafteinsatz, da Kippbewegungen zugelassen werden“ mit den Vorteilen des „Straight-wire-Konzeptes“ -> „präzise Endausformung“ kombiniert werden. Die Korrektur des Tip wird bei der Behandlung mit „Tip Edge Brackets“ wie auch bei der mit „Begg-Brackets“ mit „Aufrichtefedern“ bzw. „Sidewindern“ durchgeführt. Wenn in der Endphase mit Bögen mit einem rechteckigen Querschnitt gearbeitet wird, erfolgt bei der Anwendung der „Sidewinder“ gleichzeitig zur Korrektur des Tip auch eine Korrektur des Torque (und dies vollständig bis zum programmierten Endwert).

Um das Prinzip der Aufrichtung für den Behandler als auch den Patienten zu vereinfachen, wurde im Jahre 2003 in Zusammenarbeit zwischen Dres. Peter & Chris Kesling und Dr. Richard Parkhouse (GB) das „Tip Edge Plus Bracket“ entwickelt. Zur Korrektur der zwischenzeitlich eingetretenen Kippungen der Zähne in Richtung der idealen Endposition (Korrektur des Tip und des Torque) kommen in der letzten Behandlungsphase spezielle hochelastische Arbeitsbögen in einem besonderen Teil der Brackets, dem „Deep Tunnel“, zur Anwendung. Es kann weitgehend auf die „Sidewinder“ verzichtet werden, da die Endkorrektur durch die im „Deep Tunnel“ arbeitenden Bögen erfolgt. Funktionell, optisch und hygienetechnisch ein deutlicher Vorteil für die Patienten.

Weiterführende Links:
Tip Edge Artikel Richard Parkhouse (PDF)
Tip Edge Artikel Rudi Meyer KFO Ig 2015 (PDF)
Tip Edge Artikel Rudi Meyer (PDF)
Tip Edge Medellin – Longtitudinal Comaparitive Study (PDF)

„Speed BracketTM

Dr. G. H. Hanson entwickelte Ende der 1970 Jahre sein selbstligierendes „Speed-BracketTM“ und stellte dies, nachdem er 600 Pateinten erfolgreich behandelt hatte, im Jahre 1980 der kieferorthopädischen Weltöffentlichkeit vor. Der besondere Vorteil dieses „aktiven selbstligierenden Brackets“ besteht in der aus Nickel-Titan gefertigten Verschlussklappe, welche den Bracket-Schlitz nach dem Einsetzen des Arbeitsbogens aktiv verschließt (einligiert). Die „Speed-BracketsTM“ machen auch optisch auf Grund ihrer Grazilität viel her.

„In Ovation C Bracket®

Da im Laufe der Zeit ästhetische Belange in Bezug auf eine kieferorthopädische Behandlung immer mehr in den Vordergrund rückten, wurden keramische Bracket-Systeme entwickelt. Das „In Ovation C Bracket®“ ist ein aktiv selbstligierendes, ästhetisch sehr ansprechendes Keramikbracket mit einer Rhodium-beschichteten Kobalt-Chromverschlusskappe -> Fällt kaum auf.
In-Ovation-C